Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Haveland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,

Ein Birnbaum in seinem Garten stand,

Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,

Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,

Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,

Und kam in Pantinen ein Junge daher,

So rief er: „Junge, wiste ’ne Beer?“

Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn,

Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.“

So ging es viele Jahre, bis lobesam

Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,

Wieder lachten die Birnen weit und breit,

Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab.

Legt mir eine Birne mit ins Grab.“

Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,

Trugen von Ribbeck sie hinaus,

Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht

Sangen „Jesus meine Zuversicht“,

Und die Kinder klagten, das Herze schwer:

„He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?“

So klagten die Kinder. Das war nicht recht,

Ach sie kannten den alten Ribbeck schlecht,

Der neue freilich, der knausert und spart,

Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.

Aber der alte, vorahnend schon

Und voll Misstrauen gegen den eigenen Sohn,

Der wusste genau, was damals er tat,

Als um eine Birn‘ ins Grabe er bat,

Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus

Ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,

Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,

Und in goldener Herbsteszeit

Leuchtet’s wieder weit und breit.

Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,

So flüstert’s im Baume: „Wist ’ne Beer?“

Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „Lütt Dirn,

Kumm man röwer, ick gew di ’ne Birn.“

So spendet Segen noch immer die Hand

Des von Ribbeck auf Ribbeck im Haveland.

6 Antworten auf „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Haveland“

  1. Ja Sandy, zum auswendig lernen ist es wahrscheinlich wirklich nicht der Hit! 😉

    Aber ich finde es ist eins der schönsten Gedichten von Theodor Fontane . (Anmerkung: von den die ich kenne).

    🙄

  2. Nee ne, 🙄

    da holt einen die Vergangenheit ein. Auch ich bin mit dem Gedicht gequält worden. Damals (booh, ist’s lang her) hat meine Oma mit mir geübt.

    Sie hatte das noch richtig drauf,mit über 6o ohne Textvorlage!!! :respekt:

    Ich mußte das Gedicht auch vortragen, mit Tomatenroten Gesicht. 😳

    Dafür kann ich noch ein Gedicht aus der 1. oder 2. Klasse.

    Es waren einmal zwei Ameisen,

    die wollten nach Australien reisen.

    Bei Altona auf der Chaussee

    da taten ihnen die Füße weh.

    Da verzichteten sie Weise auf

    den letzten Teil der Reise.

    Ich weiß nicht mehr, von wem das ist, aber den 6-Zeiler kann ich noch nach 30 Jahren.

    Das es nicht hochgeistig ist, ist mir klar, aber ich bin sowieso eine

    Kunst/Kulturbanausin und kann damit leben.

    Viele Grüße Martina

  3. Danke für die Blumen! :blumen:

    Hier hat man mich aber auch gerade auf dem richtigen Fuß erwischt. Das sind genau die Gedichte, die mich ansprechen.

    Kennt ihr die Verschenk-Texte von Kristiane Allert-Wybranietz? Da gibt es auch so einiges, was mir sehr gut gefällt.

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