Mein Leben
Eigentlich wollte ich heute gar nicht kommen. Ich habe mich über mich so geärgert, dass ich mich habe sitzen lassen und bin gegangen. Unterwegs habe ich mich angerufen, aber da war ich nicht mehr da.
Als ich vor 30 Jahren geboren wurde, war ich noch sehr jung. Meine Eltern waren gerade nicht da, sie waren auf dem Felde Kartoffeln holen. Es war zwar nicht unser Feld, aber wir holen dort immer unsere Kartoffeln. Jetzt ist mein Vater im Gefängnis; wegen seines Glaubens; er glaubte immer, keine Miete bezahlen zu müssen.
Ich war nicht alle Kinder, die wir hatten. Wir waren zu Hause 20 Kinder und zwar 10 Jungen, 9 Mädchen und ein Blindgänger. Wir schliefen alle in einem Zimmer und in einem Bett – mit Gasmasken. Das Handtuch stand hinter der Tür. Da wir nur ein Bett besaßen, war es mit dem Schlafen meist sehr schwierig. Das erste Kind wurde ins Bett gelegt. Wenn es eingeschlafen war, wurde es wieder herausgenommen und an die Wand gestellt. Ich bin mal 10 Tage stehen geblieben und es ist gar nicht aufgefallen.
Wir waren eine sehr musikalische Familie. Meine Mutter nähte auf einer „Singer Nähmaschine“. Mein Vater war Pianoträger bei den Transportbetrieben und sitzt jetzt in Sing-Sing. Einer meiner Brüder war Sänger. Er sank immer tiefer und tiefer und brummt jetzt schon 3 Jahre. Am musikalischsten war meine Schwester. Sie ging schon bei der Geburt flöten. Wir waren auch eine sehr intelligente Familie. Einer meiner Brüder ist auf der Uni in Heidelberg. Er steht in Spiritus, weil er zwei Köpfe hat. Ein anderer Bruder ist Verwandlungskünstier. Er geht mit einem alten Mantel ins Cafä und kommt mit einem neuen wieder heraus. Wiederum ein anderer Bruder ist Klempner. Was er am Tage klemmt, wird am Abend verlötet, d.h. versoffen. Wir Jungen hießen alle Emil, bis auf Fritz, der hieß Paul. Meine Schwestern waren alle sehr dünn, die eine musste immer zweimal ins Zimmer kommen, damit man sie überhaupt sah. Eine hatte jetzt Zwillinge bekommen, die sahen sich sehr ähnlich.
Als ich 6 Jahre alt war, kam ich in die Schule. Ich war immer der Liebling der Lehrer. Verschiedene Klassen durfte ich sogar zweimal besuchen. Einmal wurde ich in der Rechenstunde gefragt: „Wenn ich dem Fleischer 12.- DM, beim Bäcker 15.- DM und beim Kaufmann 20.- DM Schulden mache, wieviel habe ich dann zusammen?“ Ich sagte darauf: „Das weiß ich nicht, denn dann ziehen wir meistens um!“ Brachten wir gute Zeugnisse nach Hause, gab es einen Groschen für die Sparbüchse. Waren es aber schlechte Zeugnisse, bekamen wir es mit dem Ausklopfer. War die Sparbüchse voll, wurde ein neuer Ausklopfer gekauft.
Später kam ich zu einem Schmied in die Lehre. Er gab mir einen Hammer in die Hand und sagte: „Wenn ich nicke, dann schlag zu!“ Ich schlug zu, er nickte nie wieder. In einer Metzgerslehre nahm ich immer die Knochen für meinen Hund mit. Im Zeugnis stand: Er war ehrlich bis auf die Knochen. Dann wurde ich Vertreter. Mein Chef war sehr neugierig und fragte mich, was ich vorher war. Ich sagte ihm, ich habe Ölsardinen die Augen zugedrückt, bevor sie in die Büchse kamen. Das glaubte er mir nicht und außerdem fiel ihm auf, dass ich eine sehr langsame Aussprache hatte. Er fragte mich, ob ich etwas schneller könne und ich sagte, ja“, ich werde bei der Arbeit sehr schnell müde. Und das bin ich bis heute geblieben.